Literarische Orte

Wenn eine Schriftart ein Ort der Literatur sein könnte, das heißt, wenn wir uns die Druckstilform der Buchstaben unserer Literatur als eine Behausung der Worte, der Gedanken oder einfach unserer immerzu Achterbahn fahrenden Gefühlsberg- und -talfahrten vorstellen könnten und das tue ich hier, dann habe ich zu dieser Art literarischen Orts folgendes zu bemerken: Ich schreibe gern erste Entwürfe in Courier, ich mag es, Unfertiges mit Hilfe der grafischen Wirkung dieser Schriftart direkt als vorläufig anzuzeigen, auszustellen, vor mir und vielleicht auch vor einer Leserin. Deutlich bekennend vor allem vor mir selber, dass das hier probeweise Hingeschriebene möglicherweise einem ersten Nachlesen nicht standhalten kann und sogleich wieder gelöscht werden muss von mir. Oder aber verbessert, umgeschrieben, umgebrochen werden muss und bald etwas gänzlich anderes aus dem ersten Entwurf entstehen wird, wofür ich aber immer noch dem ersten Courier meines ersten Gedankens, den ich ja mit dem Hinschreiben oder Hineintippen in die Tastatur ad acta gelegt habe und der für mich damit nicht mehr zugänglich ist, verpflichtet bleibe. Ich werde also niemals wissen, aus was das nachher und schließlich vielleicht – in den seltensten Fällen! – für gültig Erklärte überhaupt gekommen, entstanden, gekeimt ist, ausschließlich die Courier-Schriftart scheint mir den Weg aus dem Ungebahnten ins Gebahnte, aus dem Ungefähren in ein weniger Ungefähres aufgezeichnet, festgestellt zu haben.

Wenn es aber gelten darf oder vielleicht sogar für eine Veröffentlichung freigegeben werden sollte, dann wird es von mir an einen anderen literarischen Ort der Behausung der Schrift getragen, also hinübergetragen in die Type namens Garamond.

2.

Und ab hier werde ich an den Anfang der folgenden Mini-Kapitel jeweils ein Foto stellen von einem Ort, den ich aus … Grund als literarisch empfinde, bewerte, ausgewählt habe. Und diese meine Auswahl werde ich sodann begründen.

Diese Idee war bei mir lange schon virulent, schließlich reise ich zu Orten in der Absicht, sie zu fotografieren und also fotografierend zu beschreiben, nicht bloß festzuhalten, und sodann sie auch schriftlich zu beschreiben und nicht bloß festzuhalten, wobei ich zwischen dem fotografischen und dem schriftlichen Beschreiben eine mich immer auf das Äußerste begeisternde und anregende Herausforderung zur künstlerisch neuen und freien Gestaltung empfunden habe. Damit will ich sagen, dass der Zeitpunkt, an dem ich endlich damit anfange, mein Vorhaben anzugehen und, wie gesagt wird, in die Tat umzusetzen, hier und heute in einer namenlosen Branche des namhaften Starbuck´s in der Keyuan Lu in Shanhgai-Pudong an einem normalen Samstagvormittag bei typischem Wetter für die Jahreszeit am Ende des Sommers, also knapp 30 Grad bei allerhöchster Luftfeuchtigkeit, ein willkürlicher ist. Vielleicht haben sich einfach so viele Fotos in den vergangenen sieben Wochen, die ich in Beijing und Shanghai verbracht habe, und so viele Textideen in meinem Kopf angehäuft, dass die Logistiküberwachungszentrale im Zwischenbereich meiner beiden Gehirnhälften die dringliche Mitteilung an alle beteiligten Abteilungen abgesetzt hat, dass angesichts der übervollen, allerdings vollkommen unaufgeräumten Regale ein sichtendes Ordnen und ein endliches Angehen aller dort brachliegenden, wiewohl von hinten aus der Produktionsfabrik ständig weiter befeuerten Rohstoffe unbedingt angegangen werden müsse, da ansonsten eine Implosion mit unvorhersehbaren Folgen für den Psychohaushalt etc. als unmittelbar bevorstehend zu gewärtigen sei.

3.

Eigentlich kann alles, oder fast alles, jedenfalls vieles ein literarischer Ort sein. Musik. Schrift, wie bereits gezeigt.

Nur Gott nicht. Gott ist kein literarischer Ort. Obwohl er vielleicht, der christliche jedenfalls, oft als der Beginn unserer abendländischen Literatur reklam- und deklariert wird.

4.

Ich empfinde Orte oft dann als literarisch, wenn ich sie beinahe genauso gut als Unorte bezeichnen könnte. Beide Begriffe sind sehr vage bis widersprüchlich in sich, denn ein Ort hat erst einmal nichts mit Schreiben zu tun und ein Unort kann ja kein Ort sein. An dieser Kreuzung von Flyovern mitten in Shanghai, Luftlinie drei km westlich des Huangpu Rivers und am nördlichen Ende der Französischen Konzession gelegen, ist auch keine Kreuzung. Denn die hier kreuzenden Straßen-Bahnen führen über- oder untereinander aneinander vorbei, ohne sich zu berühren. Und am unauffälligsten gehen die Fußgänger über diesen Ort hinweg, nämlich auf einer ziemlich niedrigen Etage, der ersten über dem Straßenniveau, wo oft wenig los, während über den Ohren der wenigen Passanten der Verkehr ahnungsvoll hinwegbraust in alle Windrichtungen. Die LED-Beleuchtung wechselt im flow und das macht eine wohlige, sanft ausgeleuchtete Atmo hier während der vielleicht zehn Minuten, die die Passage dauert, man könnte überall und nirgends stehen bleiben und ein Foto machen oder dem Rhythmus lauschen, der sich aus dem Hinwegfahren der unsichtbaren Autos über die Anschlussstellen der Brückenelemente komponiert, man kann den schnell dahinziehenden weißen Wolken der Nacht nachblicken und sich zu Stern- und Wolkengeschichten hinreißen lassen, vielleicht einen kurzen Essay zu Caspar David Friedrich in Shanghai entwerfen. Man kann auch Glück haben und hier einen Moment erleben, an dem man sich selbst mit seinem eigenen hierhergetragenen Leben inne wird als an einem schönen Übergang stehend, ohne zu wissen in welche Richtung uns das bald fahrerlose und immer mehr von außen gesteuerte Auto des Lebens fürderhin tragen wird, ohne Angst vor dem Undeutlichen, Kommenden, sondern voller Vorfreude auf die neuen Erlebnisse, Bekanntschaften und spannenden Texte, die noch entstehen werden, bevor wir erst sie lesen können und wer weiß, so die schöne Hoffnung hier in diesem Lichterschweben, vielleicht wird ja auch ein von uns geschriebener gelungener dabei sein, und der Ort, an dem ich jetzt hier sein darf und der auch, wenn nicht nur, deshalb so schön und so literarisch für mich ist, weil ich ihn weder vorhergesehen noch angesteuert habe, sondern der hinter einem Shanghaier Gebäudekomplex (irgendeinem) plötzlich vor mir auftauchte, ohne sich vorzustellen, der einfach da war. Wie jeder richtige literarische Ort eben.

Aber ich bin ja noch ganz am Anfang und noch weit davon entfernt (von jenem … Ort) zu verstehen, was ich überhaupt unter einem literarischen Ort begreife oder fühle, was für mich diesen Begriff so faszinierend macht. Einen kleinen Schritt hin zu einem Verstehen davon habe ich getan. Und damit ist der Weg dieser Textidee vorgegeben. Der Rest bleibt Arbeit.

5.

Das Foto soll nicht bestechen, denke ich als Erstes, als sich dieses hier nach dem Einsetzen aus meinem vorbereiteten Ordner inmitten meines neuen, noch wild nach vorne euphorisch strömenden Textes öffnet. Aber dieses hier scheint bestechen zu wollen. Was für ein Quatsch. Das Foto kann nichts wollen. Ich projeziere mein Wollen in das Foto hinein.

In Peking laufen die großen Ringstraßen im Kreis um das Zentrum. Der Zweite Ring genannte erste Kreisstraße umzirkelt in einem Radius von vielleicht drei Kilometern die Verbotene Stadt. In weiteren Schichten folgen der Dritte, Vierte, Fünfte und Sechste Ring. An den großen Ringstraßen, die breite Stadtautobahnen sind und für Menschen schwierige Schneisen darstellen, liegen gewaltige Wohn- und Büroblockhäuser, die keinen Grund hätten, sich der Ringstraße hin zu öffnen. Aber auch sonst ist ja das Öffnen nicht die Sache des chinesischen Wohnens, zumal des städtischen. Die Grenze, die Abgrenzung, die Mauer, das Mauern sind eher spontane Gesten des Wohnens. Insofern ist das abgebildete Gebäude keine Ausnahme. Aber auch noch nach vielen Jahren schrecke ich zurück vor dem massenhaften Wohnen, das sich in solchen Fassaden abzeichnet. Es kann nur unpersönlich sein und zugleich ist das natürlich ein verrückter Gedanke, der auch abwegig ist. Die Gleichförmigkeit der Fenster, die Balkon- und Austrittslosigkeit, dafür die Klimaanlagenentlüftungen, die für die drückend schwülwarmen unendlich langen Sommer stehen. Darüber der Himmel wie eine Drohung. Alles ist hier Drohung. Beunruhigung. Wie kann von einer Existenz hinter dergleichen unwünschbarer Fassade erlöst werden?

Aber hattest du nicht gesagt, du sehest hier einen literarischen Ort? Wie das?

Und doch, ja, ich hätte fast vergessen, dies hinzufügen, zu sehr hatte mich das Bedrückende der Fassade hinfortgetragen, und doch ist ja das wuchtige Gebäude ein Versammlungsort von Menschen, hinter jedem Fenster ein Gesicht zuweilen, Augen, die hinausschauen, ob die Sonne noch da ist, und die zumindest ahnen dürfen, dass ein anderes Augenpaar aus dem Apartment unter oder über seinem in diesem Moment … den gleichen Himmel oder sogar denselben Mond erblickt. Und dies parallele Sehen, Fühlen und Wissen ist ein poetisches Moment, wie in einem Gedicht wird hier ein Reim oder ein sich im Wiederholen einschwingendes Metrum erlebbar, und so will ich endlich schließen hier, indem ich dem Bild oder dem Abgebildeten einen für heute gültigen Titel verleihe: Melancholisches Gedicht in zwölf Versen oder so.

Vor etwas zu stehen, das man versucht, zu verstehen. Vor einer Auslage, einem Verkaufsangebot, das als Kaufverlockung ausgestellt werden muss, um seinen Zweck zu erfüllen bzw. sein Ziel zu erreichen. Solche Artefakte erzeugen ein kurzes Innenhalten beim Laufen durch die Städte, in meinem Fall oben in Taipei. Oder hier unten in Shanghai, in einer jener Shopping-Malls, die wir allzu leichtgläubig oft gesichtslos nennen, aber es gibt auch in ihnen Anlässe für besondere Momente, allem ersten Anschein des reinen Konsumverhaltenappells zum Trotz. Ein Ort für eine halbe Minute kann immer noch viel mehr, kann noch viel länger den Betrachter in die Tiefe ziehen, wenn er nur nicht so vielen Ablenkungen ausgesetzt wäre in den Städten. Immerzu muss er weiter, es gibt ja noch so vieles zu sehen, und die vielen Kontingenzen und Koinzidenzen, die bald oder gleich sogar vor ihm liegen, er würde sie verpassen, hielte er an dieser minderen Sehenswürdigkeit länger als ein Weilchen inne:

Oft bin ich überrascht, wenn ich die Fotos später erstmals aus dem Kontext gelöst vornehme und entdecke erst dann, warum ich auf den Auslöser gedrückt, warum ich die Kamera hervorgeholt, warum ich die Mühe des kleinen Settings gemacht hatte. Im Falle der im Glase geschwungenen Jungfrauen war es die Abwesenheit des Kaufappells, die Preisschildlosigkeit inmitten des Konsumhauses in Pudong. Ein literarisches Rätsel: Wozu, warum, ein Rätselgedicht als Verortung in Shanghai.

Während ich für mehrere Jahre in China lebte, bildete sich bei mir eine Lieblingsart heraus, mir die Zeit der blauen Stunde zu vertreiben. Mit dem Fahrrad fuhr ich in möglichst autofreie, zentrumsnahe und Shopping-Center-freie Gegenden der Stadt Peking. Sobald ich einen Ort erblickte, an dem günstiges Pekinger Bier straßenseitlich zu verköstigen war und wo das anspruchslose Sein durch entspannt abhängende und miteinander plaudernde Stadtfiguren attestiert wurde, stieg ich ab und sprach ansatzlos diejenige der hier herrschenden Figuren an, die mir der Betreiber des Lebensmittelladens zu sein schien, der hier zuständig war, die um diese frühe Uhrzeit bereits mehrheitlich im Pyjama einkaufenden Menschen der unteren Einkommensgruppe kurzfristig, für heute Abend und nicht darüber hinaus zu versorgen. Hier entstand in mir das Profil des gelungenen Abends in der für mich Europäer abseits liegenden Welt: Ein kaltes, einheimisches Bier. Eine improvisierte Sitzgelegenheit seitlich des Eingangs zu einer Fressgrotte, Spelunke oder einem asiatischen Späti. Menschen, die es nicht eilig haben, aber den kontingenten sozialen Austausch auf der Gasse dem Abend vor dem Fernsehgerät vorziehen; die geschützte Langeweile des „Alles kann passieren“, nicht nur die Gelsenstiche.

Live&Lounge ELISE: Wie man Häuser baut, die offensichtlich Menschen von der Straße anlocken wollen, ins Innere zu treten und für irgend etwas (Spaß haben …) Geld zu zahlen bereit sind. Und wie man damit so völlig daneben liegen kann, zeigt mir dieses Bild.

(japanisches Kachel-Einfamilienhaus mit vielen Rundungen und zwei merkwürdigen Bildern in integrierten Bilderrahmen hinter Glas): ästhetische Konfusion

IMG_1272 – Meine Begeisterung für China rührt auch daher, dass die omnipräsenten Schriftzeichen immerzu Bedeutungen andeuten, die ich allenfalls erahnen kann. Ich bewege mich hier tagein tagaus in einer Landschaft von Zeichen, die mich zum Lesen ANHALTEN, die ich aber nicht AUFLESEN kann, höchsten ANLESEN oder ANDEUTEN, nicht aber AUSDEUTEN.

PHOTO AREA: Ein Ort, an dem ich nicht fotografieren darf, ist für mich per se ein literarischer Ort. Es muss einen interessanten Grund geben, warum ich von hier kein Foto für mich mitnehmen darf. Hier wird schon meine Wahrnehmung als Diebstahl angesehen. Hier muss ich also genauer hinschauen, hier verspricht etwas, entdeckt werden zu können. – Ein Ort hingegen, an dem mir eine unsichtbar bleibende Obrigkeit empfiehlt, Fotos zu machen, da, wo ich also darf, was man mir unterstellt, dass es meine liebste Beschäftigung sei, da ist naturgemäß in mir kein Interesse, keine Neugier, gar nichts.

Reifen auf einem Tu-95-Bomber auf dem Flugplatz Engels.

Letztens im Sommer in Peking medial überfordert habe ich von Menschen, die ich kennenlernte, Telefonnummern gerade da hingeschrieben, wo ich es konnte, in die Cloud, auf einen Quittungszettel, in die Notizen-App meines iPhones. Alles wurde zu viel und ich sah schon während des Notierens vorweg, dass ich die oder den Kennengelernten nie mehr sprechen oder sehen würde. Also schrieb ich schon gar keine Namen mehr zu den Nummern dazu, erst recht keine Stichworte, die ein späteres Erinnern vereinfachen würden, also vorbereiten: Und so stehen hier und heute und überall in meinen büchernden Reisebegleitern Nummern von lebendigen Menschen herum wie Epitaphe, denn die … am anderen Ende der Leitung sind ebenso tot für mich wie jene bleiben wird: 18601934739

Ga Ha Noi

Auch dort, wo viel geschrieben wird, macht sich der, der ganze Sätze, Zeichen und regelrecht Abschnitte handschriftlich und zeilenfüllend aufschreibend aneinanderreiht (und in der Schreibgestik länger als einen Atemzug verbleibt), genauso verdächtig wie der Passant, der nicht die gängigen Sehenswürdigkeiten fotografiert, sondern die Schmutzecken oder nicht sehenswürdigen Nichtigkeiten in Stadt und Land, offengelassene Rückseiten von Gebäuden etwa oder nicht aufgeräumten Müll oder, wie ich neulich unter größter Anklage durch moralisierende Jungmenschen, Obdachlose in der Ubahn. Wer in Büroumgebung Prosa schreibt, statt in Formularen Kreuze zu setzen oder in ausgesparte Felder Kürzel, Namen oder kodifizierte Sonderwünsche zu ixen, wird sofort als Fremdkörper wahrgenommen, und die Wahrnehmenden unterbrechen sofort ihre Büro- oder Beratungsgespräche und zeigen mit alarmierend in die Augenwinkel geschickten Blicken auf den Fremdkörper, wobei die sofort einsetzende Stille den Ausrufezeichenpunkt setzt. Ich frage mich, was mir als Delikt vorgeworfen werden wird, Geheimniskrämerei oder die äußere Ähnlichkeit mit dem „was für die Arbeit von Agenten von Geheimdiensten typisch und kennzeichnend ist“, denn schließlich gilt eine solche Ähnlichkeit nach unseren Gesetzen bereits als Tatbestand. („Tatbestandliche Handlung ist gem. Abs. 1 Nr. 1 das Ausüben einer geheimdienstlichen Tätigkeit. Hierunter versteht man nach der Rechtsprechung des BGH eine Tätigkeit, deren äußeres Bild dem entspricht, was für die Arbeit von Agenten und anderen Hilfspersonen solcher Dienste typisch und kennzeichnend ist, namentlich also Geheimhaltung und Anwendung konspirativer Methoden. Die Strafbarkeit erstreckt sich gem. § 99 StGB auf Tätigkeiten in allen Bereichen und unabhängig von der Qualifizierung der Informationen, wobei das Gesamtverhalten des Täters maßgeblich sein soll.“)

Also ist auch die Behörde ein ungeheur literarischer Ort geworden, aber er hat keinen Verlag, keinen Lektor und sein Publikum geht unter Ferner liefen.

(RASTERUNG IN GELB AN DER STELLE HINTER DEM LANDMARK, WO EINST MEINE FAHRRÄDER ZU STEHEN PFLEGTEN.)

Mehrere Wochen lang lag dieses Bild vor meinem Fenster in Beijing. Nachts vor allem. Tagsüber nur, wenn mein Blick aus Notdurft durch das Hotelzimmer ins Jenseits fiel, während ich darauf wartete, dass meine elektronische Zahnbürste fertigwerden würde.

KEINES DER „TRAIN WATCHING CAFÉS“ IN HANOI ERKLÄRE ICH FÜR EINE TEILNAHME AN UNSEREM WETTBEWERB FÜR WÜRDIG, GESCHWEIGE GEEIGNET.

Hier wird ein Raum erstellt, aber die Unternehmer merken es nicht einmal.

Ein literarischer Ort, sollte man vielleicht zunächst meinen, bestehe aus Sprache. Aber das ist natürlich falsch. Ein l. Ort ist ein Ort, den ein Blickfänger irgendwo aus fder Felck

In China sind viele Plätze im öffentlichen Raum aufgeteilt in einen sichtbaren und einen unsichtbaren Teil. Auf die begrenzende Sichtbarriere sind oft mit Ablenkungen versehen, die das den Blicken entzogene Dahinter vergessen machen wollen. Es ist erstaunlich, wie schnell man wirklich vergessen kann, stellte ich fest, wenn ich mir, in China lebend, wieder einmal klarmachte, dass dort, wo ich täglich oder so vorüber kam, der größte Teil des vorhandenen Raums den Blicken und also auch dem Bewusstsein entzogen war. Wir wussten nicht, was auf der anderen Seite der Mauern, der nicht blickdurchlässigen Bauzäune vor sich ging, welches Leben dort stattfand; aber, das war oder ist das Erschreckende, kurze Zeit nach der Abschottung hört jeder auf darüber nachzudenken, je mehr die Mauer unmerklich auch den Raum seiner Erinnerungen und den täglichen Erlebnisraum, der sich täglich und unbarmherzig rasch um das Vergessene kürzt und aktualisiert.

In diesem Haus geht man immerzu an den Außenwänden entlang, sieht aber genauso wenig, wie man irgendwo hinkommt. Man gewinnt kein Land. Und auch kein Bild der Umgebung, denn man kann ja nirgends hinausschauen, es gibt keine Fenster.

Alles ist zugekachelt und im Innern gibt es keine nordenden Eckpunkte, alles ist zentralisiert oder so. Barthes´ Punctum ist erst auf den zweiten Blick zu erkennen, der erste ist dauernd von der irritierenden Kachel-Endlosoptik angezogen.

Zwei halbrunde Vitrinen sind zwischen Himmel und Erde des Gebäudes eingelassen, auch in ihnen setzt sich Escherhaft das Unausweichliche fort. Foucault hat hier eine Variation von Magrittes Pfeifenbildern zur japanischen Disposition gestellt: Celui n´est pas une paysage allemande! – Es zündet kräftig.

Brommybrücke, Berlin

Eine Brücke, die es einmal gab – nicht zu lange! – aber jetzt schon lange nicht mehr (es gibt sie schon viel länger nicht mehr als es sie einmal gab). Sieben – oder so… – Studenten haben hier einmal einen sog. Workshop verbracht, mit oder ohne Bier, das spielt jetzt hier in Saigon sowieso keine Rolle mehr. Man sprach über die Brücke (als Metapher oder so) als über Dinge, die einmal dawaren und dann nicht mehr. Und eigentlich die Tatsache, dass sie nicht mehr dawaren, viel wichtiger schmerzhafter, tragfähiger war als ihre irgendwannige kurze Daseinseigenschaft. Also dass die Brommybrücke jetzt nicht mehr dawar, macht sie als Brommybrücke für uns viel tragfähiger als wenn sie seit 1917 oder so, dem Jahr ihrer Erbauung, das eigentlich viel später war, bis heute unverändert oder kaum verändert ohne jemals eingestürzt und ohne von der Reichswehr vor den nahenden Sowjets gesprengt worden zu sein da wäre und da stünde und die gelegentlichen Friedrichshaintrinker mitten in der Nacht auf die andere Spreeseite nach Kreuzberg tragen würde, nur deswegen, weil die Kreuzberger Kneipen in dem Ruf standen und stehen und vermutlich weiterhin stehen werden, dass sie immer noch geöffnet sind, wenn alle anderen Kneipen im Friedrichshain, in Mitte sowieso, aber auch in Moabit, Neukölln und im Wedding längst geschlossen sind.

Bücher sind auf den Hund gekommen

Bücher sind längst auf den Hund gekommen

Bücher können höchstens herhalten als Kulisse hinter einem ernsthaften Problem, zum Beispiel einem bebrillten grauhaarigen alt werdenden Mann, der noch nicht so alt ist, dass er nicht mehr denken könnte kluge Dinge, der vielmehr gerade erst angefangen hat alt zu werden oder aber es schon länger ist, aber gerade erst des Alterns innegeworden ist, wie man sagt, und der im Moment des Innewerdens sich sagen „musste“, dass er schon seit langem alt geworden sei, es eben nur noch nicht bemerkt hatte, es immer überspielt hatte mit seiner Jugendlichkeit, mit einem Zigarillo im Mundwinkel oder dem Lächeln zu einer jungen Dame, die gegenüber eingezogen ist vor kurzem und von der seine Frau nur zu sagen pflegte, sie sei arrogant und passe irgendwie nicht in unsere Gegend, die doch abgeklärt und abgehangen wie ein alter, immer besser werdender Schinken geworden sei oder so ähnlich hatte sie gesagt oder war es jemand anders, der es ihm gesagt hatte, vielleicht der alte Freund Hermann oder Paul oder Fürchtegott? Jedenfalls hat dieser seriös aussehende älter gewordene Herr mit sehr intelligenter Brille jetzt einen Fernsehauftritt und er tritt auf als jemand, der die Brille seitlich von den Augen herunterreißt, weil er jetzt einmal nicht nur für sich, den intelligenten, immer noch attraktiven älteren, absolut gut situierten Mann, der immer noch jeden zweiten Tennis spielt und gegen alle gleichaltrigen Freunde gewinnt, spricht, sondern für alle Deutschen älteren weißen deutschen Männer, die wie er das Älterwerden verpasst haben und damit die wirklich einzig adäquate, nämlich hochdotierte und hochdotierende private Rentenversicherung zur gegebenen Zeit abzuschließen, wenn man älter wird nämlich, was er ja, wie gesagt etc. pp. verpasst hat. Im Hintergrund wird bei der jetzt tieferen Denkpause, die sich innerhalb weniger Sekunden auf alle vor dem Bildschirmen sitzenden mehr oder weniger gleichaltrigen deutschen Männer überträgt, sich auf diese niederlässt wie ein Regen, den man nicht haben will auf seinem neuen Boss-Anzug auf alter oder älter werdender Haut, ein Bücherregal eingeblendet wie auf dem Bild oben. Das Bücherregal, das gestern noch in Saigon oder HCMC hinter der attraktiv-zu attraktiven Blondine aus Skandinavien jedenfalls nicht aus Saigon den Hintergrund der Seriosität abzugeben hatte, um zu verhindern, dass ein Betrachter (etwa ein älter werdender, dies aber noch nicht wahrhabenwollender weißer deutscher Mann) das Bild pornographisch also oberflächlich die sexuelle Sinnesentfaltung vom Kleinhirn aus ansprechend finden könnte oder würde.

Hühner haben, Hühner halten Hühner legen Eier

Dreck Leben Kinderzeugen Kinderkriegen Kinderhaben Kinder

Die Straße, ein Durchgangsort. Umstanden von Häusern, die sonstwo einen Ort ausmachen, ihn definieren, schmücken, begrenzen oder einfrieden.