Literarische Orte? Ja, literarische Orte!
Wenn eine Schriftart ein Ort der Literatur sein könnte, das heißt, wenn wir uns die Druckstilform der Buchstaben unserer Literatur als eine Behausung der Worte, der Gedanken oder einfach unserer immerzu Achterbahn fahrenden Gefühlsberg- und -talfahrten vorstellen könnten und das tue ich hier, dann habe ich zu dieser Art literarischen Orts folgendes zu bemerken: Ich schreibe gern erste Entwürfe in Courier, ich mag es, Unfertiges mit Hilfe der grafischen Wirkung dieser Schriftart direkt als vorläufig anzuzeigen, auszustellen, vor mir und vielleicht auch vor einer Leserin. Deutlich bekennend vor allem vor mir selber, dass das hier probeweise Hingeschriebene möglicherweise einem ersten Nachlesen nicht standhalten kann und sogleich wieder gelöscht werden muss von mir. Oder aber verbessert, umgeschrieben, umgebrochen werden muss und bald etwas gänzlich anderes aus dem ersten Entwurf entstehen wird, wofür ich aber immer noch dem ersten Courier meines ersten Gedankens, den ich ja mit dem Hinschreiben oder Hineintippen in die Tastatur ad acta gelegt habe und der für mich damit nicht mehr zugänglich ist, verpflichtet bleibe. Ich werde also niemals wissen, aus was das nachher und schließlich vielleicht – in den seltensten Fällen! – für gültig Erklärte überhaupt gekommen, entstanden, gekeimt ist, ausschließlich die Courier-Schriftart scheint mir den Weg aus dem Ungebahnten ins Gebahnte, aus dem Ungefähren in ein weniger Ungefähres aufgezeichnet, festgestellt zu haben.
Wenn es aber gelten darf oder vielleicht sogar für eine Veröffentlichung freigegeben werden sollte, dann wird es von mir an einen anderen literarischen Ort der Behausung der Schrift getragen werden, also hinübergetragen in die Type namens Garamond.

Über dieses erste kurze Kapitel, das in mein Thema einführen soll, von dem ich selbst nicht weiß, ob es für Andere taugen, das heißt interessant sein oder werden kann, hatte ich zuerst schreiben wollen: „Von China aus entworfen“ oder so was. Aber das würde nicht stimmen. Begonnen hat das Projekt vielmehr an der Berliner Brommybrücke im Kreis meiner wunderbaren Studenten aus Italien, Slowenien, den USA und Polen. Es war der letzte Sommer, eine letzte Sitzung des Sommersemesters sollte unbedingt außerhalb der alma mater stattfinden, und ich bin noch immer glücklich, dass wir diesen Ort gewählt haben und muss noch heute schmunzeln, wenn ich an die während unserer ziemlich improvisierten (wie anders?) Zusammenkunft dort etwas verschämt aus der Tasche herauslugende Bierflasche denken muss. Ich muss OFT an sie denken. Die Berliner Brommybrücke ist ein veritabler Anfangspunkt unserer Reihe und unseres Themas, denn wie jeder echte literarische Ort ist auch die Brommybrücke gar nicht da. Sie existiert nicht, jedenfalls schon lange nicht mehr. Trotzdem oder gerade deswegen ist sie präsenter als die meisten anderen Berliner Brücken. Calvino hätte seine Freude an ihr gehabt. In seinem Gedenken könnte das, was hier entsteht, auch sich abspielen.
