
Wir sind schon wieder in Peking, und schon wieder fahren wir mit dem Fahrrad durch die Gegend, und schon wieder ziellos. Wir wissen nicht, ob wir auf der Suche nach einer Essensbude hier herumfahren oder um eine zweckfreie Runde zu drehen, die uns in einer oder zwei Stunden wieder dahin bringt, von wo wir los sind, bloß mit einem Loch im Magen und einem offen stehenden Mund, der ratlos fragt: Wozu das alles? Wenn ich in Peking um eine Ecke biege, sehe ich meistens etwas in der Flucht der Straße, das mich anzieht und weiterfahren lässt, und dieses Etwas ist meistens eine ästhetische Überraschung oder wie soll ich es nennen, das Unnennbare, das mich hinwegzieht durch die Stadt immer wieder, jeden Tag aufs Neue, ich weiß es auch nicht besser zu beschreiben. Aber gerade deswegen ich hier aber doch noch weiterschreibe. Und jedes Foto ist ein neuerlicher Versuch, anhand einer Stelze (als die ich mir in meiner permanenten Hilflosigkeit der Erklärungsnot so ein Foto von mir vorstelle) doch noch einmal zu versuchen, warum ich hier in die tägliche Bewegung zwischen Fahrrad, Gucken, Kamera und gleichzeitig in meinem Kopf mir selber vorgeflüsterten Sätzen angetrieben werde. Ein Roman ohne Anfang und Ende, aber auch das klingt zum Weggeworfenwerden! An der großen Ampel in der Nähe des blauen Kaufhauses auf Grün wartend sehe ich zweihundert Meter weiter südlich etwas Neues, diesen Lichtampelschriftzug auf einer Wellblechwand, die direkt hinter der großen Hängeampel die Weiterfahrt versperrt. Eine chinesische Mauer, eine Sichtbarriere in der Stadt, da wo man doch geradeaus zu fahren empfohlen bekommt von der grünen Ampel. In China können überall von einem Tag auf den anderen Sichtbarrieren aufgestellt werden, und niemand hat ein Recht oder gar einen Anspruch auf eine Erklärung dafür, warum dies geschieht oder was dahinterstecke. Was dahinterliegt, wirst du niemals erfahren!
Chao Wai aber heißt so viel wie „nach außen“, was ja hier passen würde: Du Verkehrsteilnehmer wirst nach außen geführt, du bleibst außerhalb des Geheimnisses. Wenn ich richtig informiert bin, ist Chao Wai auch der Name für ein großes Elektronikunternehmen, das Lichtreklamen herstellt, was ja auch das Kirmesartige dieser Beleuchtungsorgie erklären könnte, die im Übrigen hier an dieser Stadtstelle hübsch anzusehen ist, gemischt mit dem Eindruck des Mulmigen in der Magengrube, der dich hier immer wieder heimsucht. Der Tod ist nahe, sowohl der semantische als jener, unter dem man sich ein bisschen mehr, wenn auch immer viel zu wenig vorstellen kann!